13 – Über allen Gipfeln ist Ruh‘

Der Goetheweg bei Ilmenau

Drei längere Aufstiege machen diese Wanderung auch in sportlicher Hinsicht recht anspruchsvoll. Echte Goethefans dürften diese Mühen freilich kaum scheuen, können sie doch auf Schritt und Tritt den Spuren des Meisters folgen und dem Zusammenklang von Landschaft und Genius nachspüren. Sei es der Wassergraben, den Minister Goethe zum Betrieb der Räderwerke anlegte, der Felsen, auf dem er den IV. Akt der »Iphigenie«, der Gipfel, auf dem er »Wanderers Nachtlied« schrieb: Um Ilmenau wandelt man leibhaftig im Bannkreis des Dichterfürsten, der hier eine herrliche Zeit verlebt hat.

5 Einkehrmöglichkeiten unterwegs. Detaillierte Wegbeschreibung, Karte, Höhenprofil und Hintergrundinfos im Buch . | Foto: tcriess

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Drei Wegstationen…

Der Weg steigt nun rechts steil an, kreuzt einen Weg und führt dann auf den Schwalbenstein (km 3,5) hinauf. An dessen Fuß ist ein Medaillon mit dem Reliefbild Goethes und den Worten angebracht:  

  Wem die Himmlischen viel
Verwirrung zugedacht haben,
wem sie den erschütternden
schnellen Wechsel von
Freude und Schmerz bereiten,

dem geben sie kein höher
Geschenk als einen ruhigen Freund.

Es sind die Anfangsworte jenes IV. Aktes der »Iphigenie«, der hier oben am 19. März 1779 entstand – »einem heiteren Tag, ruhigen Gemüts« –, nachdem die Arbeit an dem Werk drei Jahre lang gestockt hatte. Grund: Der König von Tauris solle reden, »als wenn kein Strumpfwürker in Apolda hungerte«.

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Der Weg – eine alte Handelsstraße! – führt nun stetig ansteigend und gut beschildert durch den Wald. Kurz vor der im Wald aufragenden Porphyrklippe des Großen Hermannsteins (km 9,5) zweigt rechts ein Pfad vom Hauptweg ab zu der Höhle am Fuße des Felsens, »meinem geliebten Aufenthalt, wo ich möchte wohnen und bleiben«. Sie diente Goethe als Herberge, wenn er in freier Natur zeichnete, und manches Mal schrieb er hier, wenn es draußen regnete. Über dem Eingang ist eine Platte mit den beiden Vierzeilern angebracht, die er 1784 diesem »erwählten Felsen« zudachte, den er acht Jahre zuvor mit Frau von Stein aufgesucht hatte:

Felsen sollen nicht Felsen,
und Wüsten Wüsten nicht bleiben
Drum stieg Amor herab, sieh,
und es lebte die Welt …

Sie gehen zum Hauptweg zurück und steigen weiter bergan. Nachdem Sie den Herma nnstein passiert haben, geht es links weiter bergauf, immer geradeaus. Ganz zum Schluß gehen Sie rechts und weiter zum Goethehäuschen (km 10), einer Nachbildung jener Jagdhütte, auf deren Holzwand der Weimarer  Genius 1780 »Wanderers Nachtlied« schrieb. Hinter Glas wurde die Inschrift bewahrt, die Schutzhütte wurde zur Pilgerstätte, behielt aber auch ihre Funktion für Pilzsammler und Wanderer, bis dann 1870 jemand beim Verlassen vergaß, die Glut auszulöschen …

Es kann sehr windig auf dem Kickelhahn sein, »den man in einer klingenderen Sprach e Alecktrüogallonax nennen könnte«, wie Goethe an Frau von Stein schrieb, und am Abend eines heiteren, freundlichen Tages scheint die Stimmung hier nicht anders zu sein als:

Über allen Gipfel ist Ruh‘,
In allen Wipfeln spürest Du
kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde,
Warte nur,
balde ruhest Du auch.

»Die Sonne ist unter. Es ist eben die Gegend, von der ich Ihnen die aufsteigenden Nebels zeichnete, jetzt ist sie so rein und ruhig und so uninteressant als eine große schöne Seele, wenn sie sich am wohlsten befindet.«

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Goethe in Ilmenau

Goethe lernte Ilmenau als Leiter einer Bergwerkskommission kennen, zu welchem der 19jährige Herzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach den 27jährigen Dichter im Februar 1777 ernannt hatte, damit er die 40 Jahre zuvor »ersoffenen« Erzgruben wieder auf rentable Füße stelle. Goethe, froh, eine praktische Tätigkeit gefunden zu haben, sicherte zunächst die Energieversorgung des Unternehmens durch Zuleitung von Wasserkraft und Kapital: Zum einen wurde der alte Berggraben wieder instand gesetzt, um die Räder der Poch-, Wasch- und Pumpwerke antreiben zu können, zum anderen eine Beteiligungsgesellschaft gegründet, um an Investitionsmittel zu kommen. Schiller,  Herder, Wieland und andere zeichneten Anteile – kein Bergwerk hatte je einen erlauchteren Eignerkreis. Allein, der Johannisschacht blieb eine Totgeburt. Schon die feierliche Eröffnung am Fastnachstage des Jahres 1784 war nicht ohne Vorbedeutung: Goethe war als Bergmann verkleidet erschienen – und blieb in seiner Rede stecken. Minutenlanges Schweigen senkte sich über die Versammlung, bis der Dic hter wieder die Sprache fand und mit dem Wunsche schloß, »daß endlich das zweideutige Metall, das öfter zum Bösen als zum Guten angewendet wird, nur zum Nutzen der Menschheit gefördert werden möge.«

Der fromme Wunsch blieb doppelt unerfüllt. Zum einen förderte der neue Schacht so beklagenswert wenige »Schätze der Erde« zu Tage, daß im Jahr 1796 ein erneuter Wassereinbruch ihm endgültig den Garaus machte. Zum anderen aber hob das große Säbelrasseln gerade in jenem Jahr an, als mit Napoleon Bonapartes Feldzug nach Italien eine Karriere in ihre entscheidende Phase trat, die acht Jahre später auf dem französischen Kaiserthron ihre vorläufige Krönung finden sollte. Der Weltgeist hatte mit dem zweideutigen Metall offensichtlich noch größere Pläne …

»Die Gegend ist herrlich, herrlich!« schrieb Goethe bei seinem ersten Ilmenauer Aufenthalt im Mai 1776 – und ein »Herrlich! Herrlich!« wird auch von seinem Abschiedsblick vom Kickelhahn über die Thüringer Wälder berichtet, als er im August 1831 mit seinen beiden Enkeln in Ilmenau seinen letzten Geburtstag feierte.

12 – Zwei Gasthäuser über dem Ilmtal

Vom Ursprung der Ilm hoch zum Rennsteig

Eine stille Aufstiegsroute führt durch parkartigen Wiesengrund zum Rennsteig hinauf. Ihm folgen wir bis zum höchstgelegenen Gasthaus des Thüringer Waldes – und wandern von dort zum ältesten weiter, das traumverloren in tiefer Waldeinsamkeit liegt.

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Der Mönchhof

Der heutige Mönchhof ist eines der traditionsreichsten Gasthäuser Thüringens! Das 1908 errichtete Halbfachwerkhaus mit Jugendstilelementen ist der jüngste Nachfolgebau einer Herberge, die seit dem 13. Jh. hier die Fuhrleute an der alten »Salzmannstraße« bediente. In seinem Ursprung geht der Mönchhof auf eine Schenkung der hl. Elisabeth zurück, die 1221, im Jahr ihrer Eheschließung mit dem Landgrafen Ludwig IV., dem Zisterzienserkloster Georgenthal dieses Waldgebiet schenkte. Zur Abgrenzung des Besitzes wurden Grenzsteine mit dem Bild des Ritters St. Georg gesetzt, des Schutzpatrons von Eisenach. Drei dieser alten Bildgrenzsteine existieren noch, einer davon wurde 1906 – in Anwesenheit von „Rennsteigvater“ Trinius – schräg gegenüber dem Gasthaus neu aufgestellt.

In seinen seinerzeit vielgelesenen Wanderbüchern erzählt Trinius auch die Sage vom »Mönchsstein«, an die die Abbildung auf den Notgeldscheinen von Manebach erinnert, die in der Wirtsstube zu bewundern sind: Ein Mönch hatte »gefehlt«, und um »der Liebe Schuld« zu sühnen, schleppte er den schweren Stein auf die Höhe des Gebirges, wo er tot umfiel. Dort begruben ihn seine Brüder – und gründeten den »Mönchhof«.